Annäherung an Knöpfe

Gedanken von Dr. Erika Schuster zur Ausstellung Knöpfe von Charlotte Karner

Gab es in Ihren Kindertagen irgendwo im Elternhaus oder bei den Großeltern auch eine Schachtel mit Knöpfen?

Die Knopfschachtel meiner Großmutter war für mich eine Art Wunderkästchen: große und kleine Gebilde aus Zwirn, Hirschhorn, Silber, Perlmutt, Glas, Stein, glänzend, matt, weiß, bunt, rau, glatt, kühl, warm, schwer, leicht……. luden ein, sie zu betasten, zu befühlen.

Man konnte sie in die Luft werfen und ihren unterschiedlichen Sprüngen nachsehen, dem klirrenden oder dumpfen Aufprall nachlauschen. Es war lustig, mit ihnen Muster zu legen oder hilfreich, sie gar für die verlorenen Spielsteine beim Fuchs- und Henne-Spiel einzusetzen. Und manchmal ließen sich auch Geschichten über ihre Herkunft erträumen.

Wenig später, als ich meine Kleidungsstücke selbst zu schließen und noch später auch zu nähen begann, wurde ich auf die zweckmäßige Verwendung von Knöpfen und auf ihre schmückende Wirkung aufmerksam.

Spiel, Nutzen und Ästhetik verdichten sich in diesen Gegenständen über die Jahrtausende hinweg. Von dieser Verdichtung erzählt auch das Wort Knopf selbst. Das ungefähr 1200 Jahre alte Wort bedeutet nämlich Verdickung und wurde zur Zeit seiner Entstehung im 9. Jahrhundert in der althochdeutschen Sprache auch für Knospe und Knoten verwendet.

Knöpfe gab es aber noch lange vor unserem heute gängigen Wort, nämlich bereits in der Jungsteinzeit, etwa ab 6000 v. Chr, wenn ich jetzt einmal von den noch älteren Vorläufern, den Fibeln, absehe.

Die Materialien, aus denen im Laufe der weiteren Entwicklung Knöpfe hergestellt wurden und auch heute noch werden, waren und sind: Knochen, Holz, Metall, Edelsteine, Steinnuss, bestickte Stoffe, Muscheln, Münzen, Leder, Elfenbein…..

In den Knöpfen spiegelten sich einstmals Politik, Religion und Geschichte. Sie gaben Auskunft über soziale Stellung, repräsentierten als Schmuck Reichtum und Macht oder dienten als Erkennungszeichen oder gar als Zahlungsmittel. Für Roma bedeuten Knöpfe Glücksbringer. Mit Knöpfen wurden Zeichen gesetzt, künstlerische und gesellschaftliche wie auch mit Schriftzeichen.

Der Knopfmacher – le maitre boutonnier – war im Mittelalter wegen seiner Aufgabe, mit vielen unterschiedlichen Werkstoffen umzugehen, ein angesehener Berufsstand.

Mit einer Meisterin der Knopfkunst, für die Knöpfe aus Holz Glück bedeuten, darf ich Sie hier und jetzt bekannt mache, mit Frau Charlotte Karner.

Sie gehört grundsätzlich nicht dem Berufsstand der Knopfmacher an. In diese Welt hat sie Regina Binder mit ihrer Einladung Knöpfe aus Holz für woll.werk zu gestalten,  verführt.

Eigentlich ist Charlotte Karner freiberufliche Künstlerin in den Bereichen Typografie, (Buch)Gestaltung, Handbuchbinderei und freien Papier- und Holzarbeiten, daneben unterrichtet sie seit 2005 an der New Design University St. Pölten Buchkunst und Typografie.

Ihr Atelier, das sie gemeinsam mit ihrem Mann in Obergrafendorf betreibt, führt den Namen Diotima Press. Mich hat beim Betrachten ihrer Website der Untertitel „ein Raum poetischer Bewegung“ besonders gefangen genommen. Er scheint mir eine Art Leitmotiv zu sein, das  Charlotte Karner animiert, an diesem Ort Bücher, Knöpfe, Vasen und Holzlöffel entstehen zu lassen, Gegenstände voll Poesie, und doch auch solche für den alltäglichen Gebrauch „usefull things“, wie sie sagt.

Die Worte Poesie und poetisch kennen wir normalerweise nur aus dem Bereich der Literatur, der Dichtkunst. Sie leiten sich aber von derselben indogermanischen Wortwurzel ’poein’ her wie die Wörter Gestalten und Tun.

Dass die Gesetze der Schönheit, der Ästhetik von einem ihrer Schaffensbereiche in den anderen fließen und den Betrachter oder die Betrachterin glücklich machen, verwirklicht die Künstlerin meiner Ansicht nach in dieser Ausstellung ihrer „Freudenhölzchen – gioiolini“.

Kunstgegenstände, zu denen ein Kunstwort aus „goia“ Freude und „linum“ Holz von ihr kreiert wurde.

Die Tafeln mit den unterschiedlich gestalteten Holzknöpfen wirken auf mich wie Buchseiten, deren Zeichen sich im Ganzen und im Detail zu Botschaften oder Geschichten verdichten, die natürlich meine,  - und doch nicht nur meine -, sind.

Sie erzählen von Apfelbaum, Flieder, Weide und Essigbaum, von der Schwemmkraft des Wassers, dem Druck des Windes, vom Entrinden, Schneiden und Schleifen.

Was die Künstlerin zu dieser Zeichensprache geführt hat, wird sie uns am besten selbst erzählen.

Krems, 15. Oktober 2009                                                                                                              Erika Schuster

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